Fr26Apr2024

Cut

Cut, 1990 (Totale)
Cut, 1990 (Totale)

Cut, 1990 (Totale)

Der weiße Lichtkegel eines Stativscheinwerfers erhellt die Szene, kalkuliert ist er auf das Samuraischwert, auf den Holzblock - ein Tranchierbrett wie es die Metzger benutzen - gerichtet. Eine schmale Nut ist mittig in diesen Block eingefräst, straff gespannt liegt ein rotes Kabel darin. Es ist dasselbe Kabel, das sich durch den Raum zum Scheinwerfer schlängelt, ihm Strom zuführt. Eine zweite Nut, leer belassen, kreuzt die erste rechtwinklig und weist auf das Schwert, das, in seinem Schaft steckend, die blitzende Klinge umhüllt. Unheil verheißend liegt es auf seinem schwarzen Ständer, ganz so, wie die Tradition es gebietet.

Das sind die Dinge im Raum.

Ruhig liegt alles da. Und doch scheint eine verborgene und gleichermaßen offensichtliche Kraft von dieser Installation auszugehen. Jeder könnte das Schwert nehmen, den Schaft abziehen, das Kabel mit einem Hieb zerteilen - das Licht löschen. Ein Vollstrecken der Aktion ist im Werk angelegt, ist vorprogrammiert, aber: noch verharrt das Schwert vor diesem endgültigen Hieb. - Ein Moment höchster Spannung liegt in dieser werkimmanenten Zeitlichkeit begründet: in der Ruhe des Jetzt, des Noch Nicht und in Erwartung der Aktion des Gleich.

Es ist die Assoziation des roten Kabels mit pulsierendem Leben, mit einer Ader, durch die das Blut schießt, die dem Inszenierten einen Aspekt stilisierter Brutalität verleiht. Diese Brutalität kulminiert in dem Augenblick, in dem diese "Ader" nicht nur Opfer des Schwertes werden kann, sondern darüber hinaus auf dem Tranchierbrett präsentiert wird.

Aber das Scheinwerferlicht vereinigt die Dinge wieder, vereint sie zu einem Bühnenbild - ästhetisiert, indem es bewußt inszeniert.

In einen künstlerischen Zusammenhang gesetzt, werden die Dinge zunächst ihrer eigentlichen Bedeutung enthoben, werden entfunktionalisiert; in Boehles Installation bekommen sie ihre ursprüngliche Funktion wieder zuerkannt; nichts wird zweckentfremdet: das Samuraischwert ist Samuraischwert, ist scharf; das Tranchierbrett ist Tranchierbrett, ist Schneidefläche; das Kabel ist Kabel, führt Strom zu; der Scheinwerfer ist Scheinwerfer, ist Lichtquelle. Und auch wenn sich Assoziationen anbieten, wird nichts suggeriert, was nicht tatsächlich vorhanden ist.

Der Betrachter vermag sich der unausweichlichen Präsenz der Inhalte nicht zu entziehen, klar und offensichtlich ist Boehles Arbeit angelegt: nichts verunklärt die Unmittelbarkeit der Anschauung. Die Dinge stehen für sich selbst und sie bezeichnen das, wofür sie stehen.

Dr. Petra Schäpers
Katalog «BMW» (Boehle-Mell-Wölfl)
Galerija Prosireni medija Zagreb 1990

 

 

Hilmar Boehle: CUT 1990
Holz, Stahl, Stromkabel, Samurai-Schwert, Scheinwerfer
Aufbau variabel (500x300x290 cm)

«BMW» (Boehle-Mell-Wölfl), Galerija Prosireni medija Zagreb 1990
«Lódz und danach», Galeria Wschodnia Lódz 1991

Fotos: Silke Helmerdig, Berlin